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EM Aachen: Dreifachführung für deutsche Voltigierer

20.08.2015

Neuss-Grimlinghausen, Viktor Brüsewitz und Corinna Knauf gewinnen in der Pflicht

 

Aachen - Perfekter Auftakt für die deutschen Voltigierer: Nach der Pflicht rangieren die Schützlinge von Bundestrainerin Ulla Ramge und Disziplintrainer Kai Vorberg in allen drei Wettbewerben an vorderster Front. Das Team des RSV Neuss-Grimlinghausen führt im Gruppenwettbewerb, die Kölnerin Corinna Knauf bei den Damen. Bei den Herren nehmen die drei deutschen Vertreter – Viktor und Thomas Brüsewitz (Garbsen) sowie Jannis Drewell (Steinhagen) – sogar derzeit alle Podestplätze ein.

Das Team des RSV Neuss-Grimlinghausen – Julia Dammer, Janika Derks, Leonie Falkenberg, Johannes Kay, Mona Pavetic, Pauline Riedl sowie Ersatzfrau Eva Adrian – setzte schon zu Beginn dieser kontinentalen Titelkämpfe ein Ausrufezeichen. Mit 7,701 Punkten rangieren die Rheinländer mit ihrer Fuchsstute Delia FRH hauchdünn vor der Mannschaft Lütisburg aus der Schweiz. Die als sehr pflichtstark bekannte Truppe von Monica Winkler-Bischofberger kassierte 7,696 Punkte – und damit 0,005 Zähler weniger. Ein absoluter Wimpernschlag.

 

Als „Arbeitssieg“ betitelte Trainerin und Longenführerin Jessica Lichtenberg im Anschluss an den Auftritt in der Aachener Soers das Resultat. „Es war wirklich schwierig. Ich musste sehr viel auf das Pferd einwirken. Das ging nicht einfach so von der Hand, aber der Druck ist auch wirklich nicht gering. Ich bin jetzt total erleichtert“, gab die 34-Jährige zu Protokoll und zeigte Zuversicht: „Jetzt hat Delia die Halle schon gesehen. Die Kür wird deutlich leichter als die Pflicht.“


Nur wenige Augenblicke vor dem ersten Einlauf im Deutsche-Bank-Stadion stockte der gesamten deutschen Equipe der Atem. Beim Einturnen war Teammitglied Pauline Riedl übergekippt und unsanft mit dem Oberschenkel auf dem Griff gelandet. „Sie war danach mega verunsichert und ein klein wenig neben sich“, berichtete Lichtenberg, sprach ihrer erfahrenen Turnerin aber zugleich ein großes Lob aus: „Selbst wenn Pauli nicht bei hundert Prozent ist, ist sie noch richtig gut.“ Auch der Rest der Gruppe konnte ein hohes Niveau auf den Pferderücken bringen. Lichtenberg: „Sie haben alle an einem Strang gezogen und abgeliefert, es war eine super Mannschaftsleistung.“ Besonders herausragend zeigte sich einmal mehr Mona Pavetic. Die Zwölfjährige turnte trotz ihres jungen Alters eine außergewöhnliche Übung. „Sie hat eine Pflicht wie ein erwachsener Voltigierer“, konstatierte ihre Trainerin.

 

Für Aufsehen hatte ein absolutes Championats-Novum gesorgt: Das Pferd der österreichischen Mannschaft aus Wildegg hatte sich bei ihrem morgendlichen Auftritt vor einem TV-Kameramann erschrocken. Die Voltigiererinnen verzeichneten dadurch unter anderem einen Sturz und gingen zunächst mit lediglich 7,0 Punkten aus dem Zirkel. Einem Protest des österreichischen Bundesreferenten Manfred Rebel wurde schließlich von Seiten des Richterkollegiums stattgegeben. Das Team wiederholte am späteren Abend die Pflicht – und schob sich mit 7,54 Punkten auf Rang drei vor die bereits abgeschlagenen Franzosen (7,105).

 

„Das ist unfassbar. So etwas hat es noch nie gegeben und das sicherlich auch zurecht. Wir sind im Pferdesport, da sind Ablenkungen nicht ungewöhnlich.“ Lichtenberg kritisierte insbesondere die nicht mehr gegebene Vergleichbarkeit mit den anderen Teams. Dem stimmte auch Ulla Ramge zu. Die Stellungnahme der deutschen Bundestrainerin: „Die Entscheidung hat bei den Equipechefs der anderen Nationen zu Aufregung geführt. Jeder Equipechef kann sicherlich aus der Erfahrung heraus von einigen außergewöhnlichen Ereignissen und vergleichbaren Situationen aus der Vergangenheit berichten. Unser Mitgefühl war bei den Österreichern, aber es herrschte absolutes Unverständnis, dass eine komplette Pflicht wiederholt wird aufgrund eines Vorfalls bei einer Voltigiererin. Die Meinung der Aktiven war auch ganz klar, dass eine Pflicht morgens etwas anderes ist als eine Pflicht abends und wenn man sie zum zweiten Mal machen kann. Es sind unserer Ansicht nach dadurch nicht die gleichen Bedingungen. Die Aufregung war entsprechend groß. Wir als Equipechefs haben uns in der Pflicht gefühlt Stellung zu nehmen und es herrschte spontan große Einigkeit unter allen anderen Nationen, einen gemeinsamen Protest zu formulieren. Wir sind unserer Pflicht nachgekommen, unsere Aktiven zu vertreten und haben unsere Meinung dargebracht. Genauso wie der österreichische Bundesreferent Manfred Rebel, der sich für seine Sportler eingesetzt hat. Unsere größten Bedenken waren, dass man hier einen Präzedenzfall schafft, der unseren Sport tüchtig durcheinanderbringt und wir werden genau beobachten, wie das in Zukunft gehandhabt wird.“ Auch für Co-Bundestrainer Kai Vorberg war die Entscheidung nicht nachvollziehbar: „Für mich ist Sport das, was im Moment der Bewährungssituation passiert. Eine Wiederholung widerspricht dem Grundgedanken des Sports.“

 

Die entscheidende Begründung der Groundjury war, dass sich der Vorfall sehr dicht am Zirkel ereignete und dadurch nicht mit anderen Störungen gleichzusetzen sei.

 

Extrem zufrieden zeigte sich das Bundestrainer-Gespann mit den Ergebnissen der Einzelvoltigierer. „Alle haben ihre optimalen Leistungen abgerufen, es läuft voll nach Plan“, sagte Ramge. Für Vorberg sind die Voltigierer bereits am ersten Wettkampftag „voll angekommen“. Bei den Weltreiterspielen in Caen war den Deutschen dies nicht optimal gelungen. „Da sehe ich eine enorme Steigerung zum Vorjahr.“

 

Bei den Damen liegt die 22-jährige Kölnerin Corinna Knauf vorne. Auf Fabiola, mit der sie schon bei den Europameisterschaften 2013 und bei den Weltreiterspielen 2014 am Start war, erhielt sie die Wertnote 8,333. Longiert wird die zweifache Deutsche Meisterin von ihrer Schwester Alexandra Knauf. Mit der Note 8,221 folgt die Schweizerin Simone Jäiser auf Platz zwei. Rang drei ging an die Österreicherin Katharina Luschin (8,143). Christine Kuhirt aus Haan folgt mit ihrem Pferd Fuzzy (Longe: Stefan Lotzmann) auf Platz fünf (8,074). Die Hamburgerin Kristina Boe rangiert derzeit auf Platz acht (7,9).

 

Die deutsche Meisterleistung komplettierten die Herren. Sie belegen nach der ersten der vier Teilprüfungen alle Podestplätze. Die Brüder Viktor und Thomas Brüsewitz aus Garbsen liegen mit ihrem Pferden Rockard H (Longe: Winnie Schlüter) und Airbus (Irina Lenkeit) mit 8,496 beziehungsweise 8,363 vorne. Auf Platz drei folgt Sportsoldat und Championats-Debütant Jannis Drewell aus Steinhagen mit seinem Pferd Diabolus (Simone Drewell) mit der Note 8,270. Ärgste Verfolger der Bundesadler sind der Franzose Vincent Haennel auf Platz vier (8,173) und der Österreicher Ramin Simon Rahimi (8,159).

 

Der morgige Wettkampftag beginnt ab 9.45 Uhr mit den Küren der Damen, gefolgt vom Pas-de-Deux-Auftakt ab 13 Uhr. Die Herren zeigen ihre Küren ab 14.30 Uhr. Die Teams starten ab 17 Uhr mit der ersten Kür im Aachener Zirkel.

fn-press

 

Bild zur Meldung: Thoams Brüsewitz auf Oldie Airbus; Foto © Daniel Kaiser (fn-press)